Forderungen

Koloniale Strukturen brechen!

Forderungen für Göttingen

Die Gesellschaft für bedrohte Völker fordert eine klare Neuausrichtung des Gedenkens am sogenannten „Süd-West-Afrika-Denkmal“:

  • Umwidmung des Denkmals: Weg vom einseitigen Gedenken an deutsche Kolonialsoldaten hin zu einem Erinnerungsort für die Opfer des Genozids an den Ovaherero und Nama.
  • Benennung als Genozid: Das Verbrechen in Namibia muss auch auf der Gedenktafel eindeutig als Völkermord bezeichnet werden.
  • Zeichen setzen: Göttingen soll sich anderen Städten anschließen, die Kolonialdenkmäler kritisch umgestaltet oder kolonial belastete Straßennamen geändert haben.
  • Dialog mit Nachfahren: Die Umgestaltung soll gemeinsam mit Vertreter*innen der Ovaherero und Nama entwickelt werden. Nur so kann ein würdiges und zukunftsweisendes Erinnern entstehen.
  • Klares Signal der Stadt: Teilnahme der Oberbürgermeisterin an der Gedenkveranstaltung am 2. Oktober 2025 (121. Jahrestag des Vernichtungsbefehls gegen die Ovaherero) als Bekenntnis zur Verantwortung.

Ein Erinnern, das Täter ehrt und Opfer ignoriert, ist nicht mehr hinnehmbar. Die Stadt Göttingen muss Verantwortung übernehmen und für eine ehrliche, gerechte Erinnerungskultur stehen.

Forderungen für Witzenhausen


Aufgrund der Ziele und Ausrichtung der ehemaligen Deutschen Kolonialschule (1898-1944), mit dem Ziel der „Ausbildung von Kolonisten, Pflanzern, Beamten, Handwerkern (…) für die Kolonien in deutsch-christlichem und ausgeprägt nationalem Geist.“ (Gründungsurkunde DKS, DITSL-Archiv), der aktiven Beteiligung von Schülern bei der militärischen Niederschlagung des Widerstands der Ovahereo und Nama, durch ihren Dienst in der Kolonialarme (Kaiserliche „Schutztruppe“) in der damaligen Kolonie „Deutsch-Südwestafrika“, der aktiven Beteiligung und Förderung der Besiedelung und kolonial-landwirtschaftlichen Erschließung des Landes sowie der Propagierung und Unterstützung von kolonial-rassistischen bevölkerungspolitischen Interessen – wie die Beteiligung bei der Gründung der ersten Kolonialen Frauenkolonialschule in Witzenhausen belegt – ist der Standort Witzenhausen in besonderer Art und Weise mit der Geschichte Namibias verstrickt.

Diese besondere Rolle von Witzenhausen als wichtiges Netzwerk kolonialer Akteure lässt sich in den Texten, Zeitungsartikeln und Briefen in der Schülerzeitschrift der ehemaligen DKS nachweisen wobei die Schülerzeitschrift zusammen Schülerakten und dem Fotoarchiv als wichtige Quellen für historische Forschung zu dieser Geschichte anzusehen sind – die weiterer Forschung bedarf.

Daher fordern wir als Initiative witzenhausen postkolonial:

1. Stimmen aus Namibia in Witzenhausen sichtbar und hörbar machen

Wir fordern, die Perspektiven namibischer Communities, insbesondere Vertreter:innen und Nachfahren von Ovahereo und Nama, in Bezug auf die   historische Aufarbeitung, Gedenkveranstaltungen und Erinnerungskultur aktiv, dauerhaft sichtbar und hörbar zu machen – unter besonderer Berücksichtigung von Ressourcenverteilung, die einen solchen Prozess ermöglichen​​.

Dabei sind Fragen der langfristigen Auswirkung kolonialer Gewalt, der kolonialen Aneignung von Land unter deutscher Kolonialverwaltung in Zusammenhang mit landwirtschaftlicher Praktiken sowie die Auswirkungen kolonial-rassitischer Bevölkerungspolitik von besonderer Bedeutung.​​​​​​​

2. (Post-) Koloniale (Dis-) Kontinuitäten in Forschung und Lehre kritisch aufarbeiten

Wir fordern, Aufarbeitung und Vermittlung der Standortgeschichte durch historische Forschung und langfristige Verankerung auf instiutioneller Ebene am Forschungs- und Bildungsstandort Witzenhausen zu fördern und zu sichern.

Dies umfasst Bildungsangebote in der Hochschlbildung und im Bereich außerschulischer Bildungsangebote zum Thema Kolonialimus und Landwirtschaft zu fördern und (weiter-) zu entwickeln, mit dem Ziel eurozentische Perspektiven kritisch zu hinterfragen, (post-) koloniale (Dis-) Kontinuitäten sichtbar zu machen und einen Perspektivenwechsel zu ermöglichen.

Hierbei ist ein Fokus auf die Bedeutung von Landwirtschaft im Kolonialismus und den langfristigen Auswirkungen kolonialer Politik und kolonialer Praktiken von besonderer Relevanz, in Hinblick auf Verstrickungen, Kontinutitäten und Brüchen in Verbindung mit der Instiutionen- und Standortgeschichte.

Historische Grundlagenforschung und Archivarbeit vor Ort können dabei als wichtige Basis und Voraussetzung angesehen werden, um die Rolle (instiutionalisierter) Wissensproduktion in Zusammenhang mit der Instiutionen- und Disziplinengeschichte in einem kontinuierlichen Prozess aufzuarbeiten und (selbst-) kritisch reflektieren zu können.

Das Deutsche Institut für tropische und subtropische Landwirtschaft (DITSL), als Rechtsnachfolgerin der ehemaligen Deutschen Kolonialschule sowie die Universitäten Kassel und Göttingen könnten als wichtige Forschungs- und Bildungsinstiutionen vor Ort mit ihrem Zugang zu Ressourcen wie Fördermitteln und Forschungsnetzwerken wichtige Impulse setzen, um Forschungsprojekte auf den Weg zu bringen um verbesserte Zugänge zu Archivmaterialien zu ermöglichen und Ressourcen für Forschende aus betroffenen Ländern und Communities aufzubringen.

3. Dekolonisierung der öffentlichen Erinnerungskultur in Witzenhausen

Vor dem Hintergrund zunehmender autoritärer und antidemokratischer Tendenzen sowie gruppenbezogener Diskriminierung in Deutschland, in Europa und weltweit, bedarf es unserer Ansicht nach einer kritischen Auseinandersetzung in der Stadt- und Zivilgesellschaft mit Erinnerungsorten und Symbolen auf dem Campus und im öffentlichen Raum in der Stadt, die in direkter Verbindung mit der Gewaltgeschichte im Zusammenhang mit Kolonialismus und dem Nationalsozialismus stehen. 

Es stellt sich die Frage, welche Werte aktuell innerhalb der öffentlichen Erinnerungskultur durch ehrendes Gedenken (in Form von Symbolen, Denkmälern und Straßennahmen) repräsentiert und transportiert werden, und es bedarf unser Ansicht nach einer Diskussion darüber, wie eine Erinnerungskultur gestaltet werden könnte, um die Werte einer demokratischen, gerechten und offenen Gesellschaft zu transportieren und zu vermitteln – wie könnte eine solche Erinnerungskultur in der Stadt in Zukunft aussehen?

Schon lange gibt es die Forderung, das positiv auf den deutschen Kolonialismus Bezug nehmende, ehrende Gedenken an Fabarius im öffentlichen Raum in Witzenhausen zu beenden: die Fabarius-Büste zu entfernen und/oder zu dekonstruieren sowie die Fabariusstraße umzubennen. 

Hierfür bedarf es unser Ansicht nach einer breiten öffentlichen Debatte, die einen sensiblen und respektvollen Umgang mit der Geschichte ermöglicht und auf Basis historischer Quellen historisches Unrecht im Kontext der Gewaltgeschichte anerkennt sowie einer Erinnerungskultur die die Perspektiven von Betroffenen kolonial-rassitischer Gewalt mit einbezieht. Die Auseinandersetzung mit der Erinnerungskultur in der Stadt ist dabei als ein wichtiges Thema zu betrachten koloniale Muster, die sich in der Geschichte und Gegenwart in der Stadt widerspiegeln zu durchbrechen und zu überwinden. Eine aktive Beteiligung von unterschiedlichen Akteur*innen aus der Stadtverwaltung, von Bürger*innen, von zivilgesellschaftlichen Gruppen und Vereinen sowie institutionellen Vertreter*innen des DITSL und des FB 11 der Universität Kassel, unter Beteiligung von Menschen die von den Auswirkungen des deutschen Kolonialismus bis heute betroffen sind, ist hierbei wünschenswert.


Die koloniale Gewaltgeschichte sollte nicht unkommentiert bleiben oder ignoriert werden mit der Gefahr, dass diese durch lautes Schweigen ausgeblendet und vergessen (gemacht) wird. Es bedarf hier und heute einer aktiven Auseinandersetzung mit dieser kolonialen Gewaltgeschichte zur Überwindung ungerechter globaler Machtverhältnisse und gesellschaftlicher Konflikte dessen Ursprünge auf kolonial-rassitische und menschenverachtende Gewaltverhältnisse zurückzuführen sind!

Forderungen für Kassel